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Warum Knete?

Gestern ist die Frage aufgekommen, wie ich auf Knete komme.


In erster Linie wirft allein die Tatsache einen Menschen, dass man Krebs hat aus der Bahn. Die Gefühle von Angst und Sentimentalität fahren Achterbahn. Manchmal wird man auch übermütig, mit dem Hintergedanken im Kopf etwas zu verpassen. Schließlich sitzt ab jetzt der Tod ein Stück weit mehr auf deiner Schulter.

Chemo. Das böse "C-Wort". Gift fließt ab jetzt durch deinen Körper. Natürlich nicht ohne Nebenwirkungen. Krebs lässt sich leider nicht mit Streicheleinheiten bekämpfen. Betroffene sprechen auch vom "chemo brain". Man wird vergesslich. Die Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne ist auf das Minimum reduziert. Einkaufen ohne Einkaufszettel? Keine Chance! selbst mit Zettel vergesse ich Sachen. Neulich stand ich vor meiner Haustüre, habe sehr verwirrt meinen Schlüsselbund angestarrt. Bestimmt eine halbe Minute. Krampfhaft habe ich überlegt, welcher denn jetzt nun der Richtige sei. Bei langen Gesprächen verliere ich oft den Faden. Wenn ich müde werde, nicke ich einfach oft nur noch freundlich.


Zeit. Zeit heilt Wunden. Vielleicht. Wenn man aber zu viel Zeit hat, wird es aber auch sehr schnell seeeeehr langweilig. Wenn ich wie gelähmt im Bett lag, habe ich mich oft noch schlechter gefühlt. Am schlimmsten war immer der fünfte Tag nach der Chemotherapie. Die Begleiterscheinungen von Schwindel, pelzigem Gefühl in allen Gliedmaßen und Schwäche bügelte mich derart nieder und zwang mich in die Knie.

Das passte mir natürlich gar nicht. Ich bin kein Mensch der unproduktiv sein kann. Meine Phantasie ist manchmal am kollabieren gewesen vor lauter Machtlosigkeit. Verrückte Gedankengänge wollten sich ausdrücken, die Spuren der Krankheit verewigen. Schon bevor ich wusste, dass ich krank bin, habe ich angefangen ein Buch zu schreiben. Jetzt geht dies noch besser von der Hand, weil ich so viele Gefühle besser benennen kann, die in jemandem inne wohnen können. Ich habe wieder angefangen zu malen. In meiner Kindheit habe ich Bilder wie am Fließband produziert. Schon immer habe ich mich eher auf der kreativen Seite des Lebens gesehen, die jetzt noch mehr beflügelt worden war.

Außerdem sorgen auch ein Duzend anderer Medikamente dafür, dass man sich eigenartig fühlt und nicht mehr klar denken kann. Ein kleines Beispiel. Folgende Szene spielte sich ab:

Mein Onkel und ich standen im Baumarkt. Ich wollte das Kinderzimmer meines Kindes renovieren. Mein Onkel hatte gerade laut drüber nachgedacht wie viele Schrauben wir für eine Wandhalterung, für eine Arbeitsplatte brauchen. Er rechnete: "6x4 ist..." Auf einmal platzte es laut und völlig selbstbewusst aus mir hervor "64!" Er schaute mich entgeistert und erstaunt zugleich an. Ich war ein wenig irritiert, dass er so verwundert war. Eigentlich war ich Herrin über das kleine 1x1. Nach einigen Augenblicken der Ratlosigkeit habe ich das Ergebnis natürlich peinlich berührt revidiert.


Fazit: Knete im Kopf bedeutet für mich, dass das Vermögen klarer Denkfähigkeit futsch ist. Emotionen überrollen mich unkontrolliert und ein kreatives Chaos möchte gebändigt werden. Verzweiflung und Lebensfreude tragen einen Machtkampf aus.





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Comentários


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Hi, danke fürs Vorbeischauen!

Ich freue mich darüber, dass Du dich dafür entschieden hast, dich mit dem Thema "Krebs" ein wenig auseinander zu setzten. Leider Gottes kann es jeden treffen. Wichtig ist, Du bist nicht alleine.

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Knete im Kopf und trotzdem Walküre

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