Land in Sicht
Auf meinem Fahnenmast entdecke ich ein weiteres Fleckchen von Sicherheit.
Lange habe ich auf diesen einen Tag gewartet. Insgesamt sind es nun beinahe 13 Monate geworden, in denen ich sehnsüchtig meine neue Arbeitsstelle erwartet habe. Natürlich steckt in diesem vergangenem Jahr nicht nur der Sieg meiner Krankheit. Nein, ich hatte auch eine Kündigungsfrist einzuhalten und versuchte trotz meiner Nerven aufreibenden Situation meine Maske zu wahren, auszuhalten und trotzdem das Beste was ich hatte, meinem vergangenen Team zu bieten.
Acht Monate kurierte ich mich nun. Zum 1. Juni durfte ich endlich mit der Wiedereingliederung in dem neuen Haus anfangen. Dieses Wissen wieder unter neue Gesichter zu kommen war eine Wohltat für mein isoliertes Ich. Beinahe schändlich fühlte ich mich "arbeitslos" und ohne Klinik. Obwohl mir meine Ex-Leitung und immer noch Freundin stets beteuert hat, "du gehörst immer noch zu uns" und "wenn du willst, kannst du auch zurück kommen", war es einfach nicht das selbe. Ich hatte kein Team, mit dem ich im Alltag stand hielt. Nicht mehr...
Meine letzte Nachsorge bei den Hämatologen fiel eher nüchtern aus. Während mein Hausarzt begeistert davon war, dass ich in einem "sauberen" Bereich arbeite, sah der Onkologe nur das infektiöse Material. Trotzdem bekam ich das "Go" und endlich grünes Licht.
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Als der Tag X endlich gekommen war, durchströmte mich mein Selbstbewusstsein. Ich weiß, ich bin gut in meinem Brötchenverdienst. Der Tatendrang der in mir wohnt, die neue Energie ohne Luftnot. All das konnte ich nun endlich in eine sinnvolle Aufgabe fließen lassen.
Auf den letzten hundert Metern zur neuen Klinik ereilte mich ein Flashback. Ich dachte so drüber nach, wie mit dem #fuckcaner alles angefangen hatte. Wie ich Monate lang ohne einer Diagnose vor mich hin litt, wie mich der Schock über die Wahrheit meiner Gesundheit hinab riss und übermannte. Der Gedanke an meine erste Chemo. Die Gefühlte, die Gedanken, die Angst, die ich zu dieser Zeit verspürte... Die gesamte Zeit auf der Intensivstation spulte sich in meinem Geiste erneut ab. Ich musste das in diesem Augenblick so schnell wie möglich verdrängen. Krampfhaft wehrte ich mich, doch die Verbindung der Fernbedienung des imaginären TV schien ohne Funktion. Egal wie sehr ich draufzudrücken vermochte. Ich konnte doch nicht verheult in meine neue Arbeit spazieren. Der Vorstellung an mein verschmiertes Make-up in meiner Vorstellrunde triggerte mich zum Glück positiv und rief einen Ultrastop der Emotionalität hervor.
Wieso kamen mir in so einem wundervollen Moment diese Erinnerungen? Warum wollte ich an dem Tag mich trüben lassen, auf den ich so lange warten musste? War es eigentlich Dankbarkeit, die ich verspürte, dass ich nun endlich so stark dort stehen konnte. Ist es noch immer die Ungläubigkeit, dass der Spuk nun endlich vorbei sein soll? Oder wurde mir gerade erst in diesem Moment tatsächlich bewusst, was ich die letzte Zeit und Monate überhaupt durchlebt hatte? Ich kann diesen Pulk an Fragen für mich selbst noch nicht beantworten. Waren diese Ereignisse doch massiv traumatisch? Vielleicht schon und manchmal bin ich auch noch nicht ganz Herrin über diesen Erinnerungsschatz. Nach der Zeit meines stationären Aufenthaltes versuchte ich oft alles nur mit einem Schulterzucken abzuwiegeln.
Es war, als hätte ich den langersehnten Hafen endlich erreicht. Das Ziel fokussiert mit zügigem Schritt. Als ich in der Umkleide, spürte ich die Vorfreude in mir. Ich stellte mich fröhlich jedem vor, der mir den Weg kreuzte. Die meisten meiner neuen Kolleg*innen wussten um meine Situation und waren sichtlich betroffen und reagierten sehr einfühlsam. Meine Wiedereingliederung ist umwerfend und ich habe mich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt. Ich wusste nicht, dass ich so sehr das sterile Lüftchen vermisste, sowie die routinierten Handgriffe im OP, der Plausch mit Kollegen und das Wissen einzusetzen zu können, welches ich mir über viele Jahre angeeignet hatte. Ich bin gerührt von dem Verständnis, welches mir in meiner neuen Stelle entgegengebracht wird. Endlich bin ich wieder ein Teil eines wertvollen Teams. Danke.
Ein neue Seite in einem neuen Kapitel wurde nun endlich aufgeschlagen...
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