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Und der Schall der Glocke ertönte.

Der Wartebereich applaudierte. "Ciao Bella. Wir wollen dich hier nie wieder sehen", die Worte eines anderen Patienten hallten noch schöner nach als der metallische Schall meines neuen Meilensteins.


22.02.2021

Ein wunderbares Datum. Heute sollte ich laut Therapieplan meine letzte Strahlenbehandlung erhalten. Die Nacht davor konnte ich kaum schlafen. Aufregung machte sich breit. Was passiert danach? Hab ich es geschafft oder geht der Kampf weiter? Hoffentlich leuchtet das neue PET CT nicht, in sechs bis acht Wochen. Eigentlich ein Grund zur Freude, doch trotzdem sind die Gefühle gemischt.

Emotionsbulimie, Synapsenfasching.

Vor einer Woche wurden meine Antidepressiva abrupt verändert. Seit meinem stationären Aufenthalt kämpfe ich mit Durchschlafstörungen.


Himmel hoch jauchzend und verängstigt fuhr mich also mein Papa zum letzten Akt. Bereits im Auto verbrauchte ich ein Taschentuch nach dem anderen. Ein Glück, dass mein Make up Wasserfest war.

Natürlich versuchte er mir positive Vibes zu vermitteln. Es gibt nichts schöneres auf der Welt wenn der eigene Vater seinen eigenen Spross für "stark" hält. Ein Grund mehr dass mir die Tränen kamen.


Angekommen am Haupteingang stolzierte ich selbstbewusst auf dem Catwalk zur Strahlentherapie. Wie jedes mal setzte ich mich auf einen der Stühle und wartete bis ich per Lautsprecher in die Kabine aufgerufen worden bin.

In dem kleinen Kabuff, als ich meine Bekleidung ablegte, wurde es mir jetzt erst recht bewusst:

VERDAMMT NOCH MAL, ICH HABS GESCHAFFT!

Während der letzten Behandlung brach es über mich hinein. Schwierig wenn man sich so gar nicht bewegen darf, denn hätte ich mich bewegt, hätte die gefährliche Strahlung womöglich den Tumor verfehlt und noch mehr gesundes Gewebe geschädigt.

Also lag ich da. Die letzten Minuten unter der Höllenmaschine die bedrohlich für mich wirkte. Es tat nicht weh, aber die Vorstellung wie mich die Radioaktivität mit den surrenden Geräten umkreist war gruselig für mich.

Stocksteif, wie eine Mumie lag ich da und ließ es ein letztes mal über mich ergehen. Die Tränen konnte ich trotzdem nicht zurück halten. Sie liefen über mein ganzes Gesicht und kitzelten mich schließlich an meiner Ohrmuschel.

Das blaue Raumlicht erlosch und das normale wurde wieder angeknipst. Es war geschafft. Schluchzend setzte ich mich auf. Das Ende der Tortur öffnete das Tor zur Hölle und ließ Gefühle frei, die ich mir drei Wochen mit Tavor weggeschluckt hatte.

Natürlich konnte ich im Arztgespräch hinterher nicht meinen Pessimismus verbergen. Die Angst vor Rezidiven (Rückfällen) saß tief. Der Arzt sagte mir, dass 80% der Lymphompatienten keine Rückfälle erleiden würden. Gut 80% klingt viel aber 20% im Vergleich empfinde ich doch auch schon als sehr hoch.

Positive Gedanken. POSITIVE GEDANKEN. Was anderes kann ich sowieso nicht machen.


Zeit das Ende einzuläuten. Das soll Glück bringen.

Ich bat einen anderen Patienten mich dabei zu filmen. Wahrscheinlich hab ich im Video vor lauter Aufregung das falsche Datum genannt. Ich bimmelte was das Zeug hielt. Der Respekt und die Freude der anderen Leidensgenossen füllte die moderne Halle. Mein Geläut wurde mit Beifall und Glückwünschen unterstützt.

Vor lauter Rührung, fragte ich den Mann, der mich gefilmt hatte, ob ich ich ihn umarmen darf. Mir war einfach danach in den Arm genommen zu werden. Natürlich lehnte er nicht ab.


Ich kehrte der Abteilung den Rücken und einer Patienten rief mir noch hinterher "Ciao Bella. Wir wollen dich hier nie wieder sehen!"

Ohne mich umzudrehen streckte ich noch einmal meine Hand empor und winkte zum Abschied. Mit Pipi in den Augen stolzierte ich wieder zum Auto zurück. Dabei begleitete mich ein Bestimmter Soundtrack:



... und ich wünschte mir was. Das ich nie wieder gegen Krebs kämpfen müsste und dass ich PET negativ sein würde.

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Comments


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Hi, danke fürs Vorbeischauen!

Ich freue mich darüber, dass Du dich dafür entschieden hast, dich mit dem Thema "Krebs" ein wenig auseinander zu setzten. Leider Gottes kann es jeden treffen. Wichtig ist, Du bist nicht alleine.

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