Die Liebe
und der #fuckcancer
Es wäre gelogen wenn ich sagen würde, eine Liebe überwindet unbeschadet alles. Ich habe beides erlebt, Krebs mit und ohne Beziehung. Ich gratuliere an dieser Stelle jedem Pärchen des Universums, das solch eine Situation meistert und daran wächst. Das meine ich vollkommen ohne Hohn! Ihr habt einen Orden verdient.
Aus meiner Sicht als betroffene Patientin:
Man hat Angst. Es beginnt schon da, wo man noch nicht einmal weiß, dass man diesen #fuckcancer hat. Was geschieht mit einem? Diese allübermannende Panik vereinnahmte mich völlig. Klare Gedanken waren wie Error 404. Die Gedultsprobe für beide Herzen beginnt.
Der Körper veränderte sich rasant, ebenso wie Gedanken und Gefühle. Der übermäßige Gewichtsverlust in kürzester Zeit war ja "nur wegen meiner Psyche" verschuldet worden. Die Umbaumaßnahmen überlagern alles mit einem dichten Absperrband. Nur die Hälfte der gesagten Wörter dringt nur noch zu einem hindurch und das was ankommt wird mit einem Grundsatz falsch interpretiert.
Man möchte keine Last sein, sich aber doch hemmungslos auskotzen können. Ein dunkler Zwiespalt. Eine Partnerschaft ist schließlich dafür da um sich auch mal aufbauen lassen zu können. Dachte ich zumindest. Wenn man sich nicht mehr auskennt ist man leider ein emotionaler Amokläufer. Man schämt sich schwach zu sein und Hilfe zu benötigen, doch ich habe es versucht zu überspielen. Ich war vor Verzweiflung giftig und habe kein Stück über mein Verhalten nachgedacht, weil ich mich einfach nicht mehr orientieren konnte. Ich war all das, was ich nie sein wollte. Ich war ein Klammeraffe, ich war eifersüchtig, ich war ungerecht. Meine Synapsen waren zu dem Zeitpunkt im Urlaub, out of order.
Gerade ich, normalerweise taff und wild, nun emotional am Ende ausgenockt und voller Selbstzweifel.
Auf der einen Seite ist es schwer zu ertragen, wenn der Angebetete einen so leiden sehen muss aber auf der anderen Seite ist in dem Moment die starke Schulter und die "Romantik" ein kleiner Balsam.
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Meine Sichtweise hat sich um 180 Grad gewendet. Ich kann mir selbst am wenigsten vergeben, einfach weil ich oft die Fehler bei mir alleine suche. Ständige Analysen haben folgendes zu Tage gebracht:
Eine Beziehung kann wahrlich den Krebs nicht heilen. Sie kann aber durchaus psychische Erscheinungen lindern, sofern sie intakt und auf allen Ebenen gesund ist.
Es ist besser während der Erkrankung Single zu sein. Man hat keine emotionalen Pflichtgefühle. Ich muss keine extrige Person romantisch und seelisch bestürzen, denn ich weiß, dass kein Partner Angst um mich haben muss, sollte er mich an den Tod verlieren.
Es ist besser in dieser Zeit Single zu sein, denn ich habe so nicht das Gefühl, der Partner ist nur aus Mitleid an meiner Seite. Ich möchte hier definitiv keine Unterstellungen abgeben aber als Betroffene hat man nicht mehr das Gefühl "geben" zu können, deshalb hat sich Zuneigung fälschlicherweise oft wie Mitleid angefühlt.
Wir Krebsies haben keine Zeit partnerschaftliche Liebe und deren Bedeutung uns durch den Kopf gehen zu lassen. Wir sind unreflektiert und impulsiv. Sämtliche Gedultsfäden sind aufgebraucht. Ich musste nur blöd getriggert werden, schon explodierte ich... Wer ist Lucifer? -Ich, verdammte Axt! Einfach so im Affekt... Manche Dinge meint man oft nicht so und schnallt erst hinterher, was man eigentlich da wieder angestellt hatte.
Single sein ist Selbstschutz. Leidenschaft beinhaltet das Wort "leiden". Ohne die keine Liebe, oder wie war das nochmal? Rückwirkend kann ich dies an vorangegangenen Beziehungen grundsätzlich nicht von der Hand weisen. Die Krankheit ist ein schweres Paket, ich brauche zusätzlich keinen Liebeskummer, auch wenn das jetzt sehr selbstheuchlerisch klingt.
Ich bin nicht verbittert. Ich weiß nur, dass ich mich im Moment sortieren muss. Die gesamte Archivierung muss alphabethisch und grundsätzlich überarbeitet werden. Ablenkung von der eigenen Stärke ist nicht erwünscht und kontraproduktiv, so empfinde ich es für mich. Ich bin mein Glück und eigener Glitzer. Erst wenn ich meine neuen und alten Schwächen vollumfänglich akzeptieren kann und alle Ängste im Griff habe, weiß ich dass ich die beste Beziehung erleben werde, die ich je hatte, weil ich wieder mich als Bonus haben werde und das auch noch mit neuen Erkenntnissen.
Glückskekspotential vorhanden.
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