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Zugang

ohne dem geht gar nichts.

 

Als ich nun am 01.10.2020 auf der Intensivstation gelandet bin, stand für die Onkologen definitiv fest, dass ich eine Chemotherapie brauchen werde.

Ich bin mir sicher, dass jeder diese bunten lustigen Zugänge aus dem Krankenhaus kennt. Sie sind unter vielen Namen bekannt: Braunüle, Flexüle, Vigo, Nadel... Sucht euch etwas aus.

Selbstverständlich werden diese sehr ungern für dieses Vorhaben benutzt. Ein Grund dafür ist die geringe Halbwertszeit, die diesen kleinen Dinger zu bieten haben. Oft liegen sie sehr schlecht und laufen nicht gut.

 

"Wir wollen Ihnen einen ZVK legen."

- Bitte was? Sicherlich nicht! Nur über meine Leiche! NIE IM LEBEN, habe ich gesagt! Verdammte Axt ich will 'nen verf***ten Port!

"Tut uns leid, dafür haben wir keinen Slot im OP frei."

- Lasst euch was anderes einfallen aber einen ZVK werdet ihr mir zum Henker nicht legen!


Bisher hatte ich einen ZVK in meinem Berufsalltag nur bei multimorbiden Patienten gesehen. Ich war doch nicht an der Grenze zum Tod, oder? Ein ZVK war für mich wie ein Stempel.

 

Für alle, die keine Ahnung haben was ein sogenannter "ZVK" ist:

Diese Abkürzung steht für "zentraler Venenkatheter".

Das heißt ein Schlauch mit oft drei Schenkeln wird einem mit Vorliebe an der V. jugularis (dicke Vene am Hals) oder auch mal in der Leiste, festgenäht.

 

Ich wäre die erste gewesen, die beim Haare kämmen an der Blume hängen bleibt und sich es selbst rausrupft. Der Gedanke widerte mich an. Die Ärzte haben meinen Unmut sehr deutlich zu spüren bekommen. Ich wollte einen Port, wie jeder andere normale Krebspatient.


Die Alternative hieß momentan PICC-Line. Selbstverständlich wurde sie mir mit ihrer Einfachheit schmackhaft gemacht. Ich hatte keine Lust einzuwilligen, doch vorerst bleib mir nichts anderes übrig.

Exkurs:

Ein zweilumiger Katheter wird in die V. brachialis eingeführt und NICHT festgenäht. Also platt ausgedrückt, Schlauch kommt in den Oberarm, Pflaster drauf.

Bis zu drei Monaten sollte dieses Ungetüm seinen Dienst leisten können. Bereits nach zwei Wochen war einer der Schenkel verstopft und die Pflege fluchte jedes mal beim Blut abnehmen.


Ich wollte bei der Anlage eine Sedierung. Ich bin ein echter Feigling, wenn es um Eingriffe an mir selbst geht. "Jaja, sie kriegen schon was..." - Natürlich. Aber nichts was mich abgeschossen hatte. Vielen Dank dafür, so war das nicht abgemacht. Der Professor hatte mich nicht für voll genommen, obwohl meine Gedanken klar waren. Ich sagte, dass ich noch alles merken würde, bloß wahrscheinlich hab ich etwas verwaschen gesprochen. Sein Wortlaut in etwa war: "Ah so wie die klingt, ist die ja schon gut dabei... oder abgeschossen... oder was bekommen...?" Ich wurde schlicht nicht ernst genommen.

Und natürlich tat es weh. Wenn schon die Aussage "es tut nicht weh" von einem Arzt kommt, weißt du bereits da haargenau, dass es eine elendige Lüge ist.

Die Vorstellung, dass dieses Ding aus meinem Arm ragte, ekelte mich an. Gegenstände die aus dem Körper ragen, stellen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko ein Infektionen dar. Drei Monate ohne die vollständige Barriere der Haut, Grund genug dass ich bei jedem Verbandswechsel beinahe kollabiert bin. Kopfkino. Außerdem tat das blöde Ding echt weh.

Also regte ich mich so lange auf, bis ich den Ärzten endlich meinen Port aus Rippen leierte. Wie ihr mich kennt, bin ich natürlich auf die Barrikaden gegangen. Was soll ich sagen... Es war die beste Entscheidung, die ich je hätte treffen können...

 

Die Vorstellung ambulant mit der PICC-Line und einem turnenden Kind zu Hause, machte mich schon irre genug. Es war Winter, ich kam kaum in einen Pulli rein und vor allem wollte ich es vermeiden meinen Arm drei Monate nicht duschen zu können.

Nicht ohne Sedierung.

Schwieriges Thema wenn man nicht so gut Luft bekommt. Ein Risiko mehr. Mir wurscht... Wenn ich schon den ganzen Mist brauch, dann will ich wenigstens von den schlimmen Sachen nichts mitbekommen.

Es hat bestimmt eine Woche gedauert zu feilschen. Sätze wie: "Hoffentlich werden Sie bald verlegt" oder "zum Glück hab' ich bald Urlaub" waren keine Seltenheit aber natürlich nicht gänzlich böse gemeint, sondern meistens mit einem Augenzwinkern.

 

Nach dem sich meine "Notbestrahlung" zwischen meinen OP-Termin geschalten hatte, musste ich mich also noch ein bisschen mehr gedulden. Zeit spielt im Krankenhaus als Patient eh keine Rolle, AUßER!!

  1. Man hat Hunger.

  2. Man vermisst sein Kind.

 

Nach meinem ersten Chemozyklus und 5x Bestrahlung hatte ich nun meinen langersehnten Roboknopf.

Meine implantierte Plastikkammer liegt unterhalb vom Schlüsselbein.

Zugegeben, die ersten zwei Wochen waren der Horror. Ich hatte einen T-Rex-Komplex. Mein Körper erlaubte mir nur, mich mit angezogenem Arm zu bewegen, um meine Brust zu entlasten und Wunde von der Spannung zu befreien.

Ich hatte super viel Angst vor dem ersten ambulanten Anstechen. Bei der Entlassung von der Intensivstation war das Ziehen aus dem noch nicht festgewachsenen Dings echt übel. Außerdem ging das, warum auch immer, nicht in einem Rutsch, sondern hat gefühlt 5 Minuten gedauert und ich dachte, die Schwester würde mir den Port samt Fleisch rausreißen.

Diese Port-Nadeln erinnern mich noch heute an Spikes. Mein Hausarzt hatte mich ausgelacht, als ich ihn nach Betäubungspflastern gefragt hatte. Augen zu und durch. Irgendwann wurde es dann erträglicher. Hauptsache keine Schläuche, die aus meinem Körper baumeln.

 

Mir wäre so viel Ärger erspart geblieben, wenn man sich früher um meinen Port gekümmert hätte, bzw. sich dafür eingesetzt hätte. Es lohnt sich als Patient dafür zu kämpfen, was man möchte. Diese ganzen windigen Zugänge waren nur unnötiger Stress. Natürlich hatte ich jemanden aus meinem Bekanntenkreis an den ich mich wenden konnte bei dieser Entscheidung.

Ich würde es wieder so machen aber nur wenn ich schlafe, auch wenn ich IMMER peinlich bin wenn ich danach aufwache. ;)

Der Vorteil ist im Alltag ganz klar:

Nach dem die Nadel gezogen wurde, bleibt die Kammer logischerweise fest verwachsen unter der Haut zurück. Es steht nichts ab und man kann nur den Knubbel sehen, der einen unter der subkutanen Hautschicht anlächelt. Er schmerzt wirklich viel weniger als so ein elendiges Schenkeldings, vor allem ist nie ein Zug darauf.



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Hi, danke fürs Vorbeischauen!

Ich freue mich darüber, dass Du dich dafür entschieden hast, dich mit dem Thema "Krebs" ein wenig auseinander zu setzten. Leider Gottes kann es jeden treffen. Wichtig ist, Du bist nicht alleine.

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